Samson Raphael Hirsch Schule- Frankfurt am Main

Arbeitsstelle "Höhere jüdische Schulen 'im langen 19. Jahrhundert'"

Hier finden Sie Informationen zur Arbeitsstelle Höhere jüdische Schulen im langen 19. Jahrhundert
Samson Raphael Hirsch Schule- Frankfurt am Main
Foto: Privat

Über die Arbeitsstelle

Deckblatt einer Schulprogrammschrift: DIPF/BBF Berlin: Bericht über das Schuljahr 1869 der Stiftischen Realschule mit Lyzeum der Israelitischen Religionsgemeinschaft in Frankfurt am Main.
Deckblatt einer Schulprogrammschrift: DIPF/BBF Berlin: Bericht über das Schuljahr 1869 der Stiftischen Realschule mit Lyzeum der Israelitischen Religionsgemeinschaft in Frankfurt am Main.
Foto: DIPF/BBF Berlin

Die im deutschen Reich während des ‚langen 19. Jahrhunderts‘ (Eric Hobsbawm) von unterschiedlichen gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren forcierte rechtliche Gleichstellung und kulturelle Assimilation der jüdischen Bevölkerung an die christliche Mehrheitsgesellschaft ist ebenso wie die gleichzeitige soziale und religiöse Ausdifferenzierung der jüdischen Gemeinschaft wesentlich von einem sich herausbildenden modernen höheren jüdischen Bildungswesen getragen und begleitet worden.

Als Teil des höheren Schulwesens (Realschulen und Gymnasien) waren die höheren Schulen in jüdischer Trägerschaft in den staatlich organisierten Austausch von Schulprogrammschriften beteiligt. Neben wissenschaftlichen und pädagogischen Abhandlungen, die einen Querschnitt gelehrten Wissens im 19. Jahrhundert darstellen, enthielten die  Programmschriften „Schulnachrichten“ zu wichtigen Schulereignissen, Prüfungen, Lehrstoffen, verwendeten Schulbüchern und sozialbiografische Angaben zur Lehrer- und Schülerschaft. Der Programmtausch erfolgte zwischen den Schulen im deutschen Reich, sowie darüber hinaus auch mit höheren Schulen im europäischen Nachbarstaaten und mit außereuropäischen deutschen Auslandsschulen. Auf diese Weise etablierte sich im Laufe des 19. Jahrhundert ein transnationalen Bildungsraum, an dem die jüdischen höheren Schulen beteiligt waren. Die Auflage der jährlich gegen Ende des Schuljahres erschienenen Schriften dürfte gegen Ende des 19. Jahrhundert zwischen 1.500 bis 2.000 Exemplaren pro Jahr gelegen haben.

Das Forschungsinteresse der Arbeitsstelle richtet sich auf die Schulprogrammschriften der höheren Schulen in jüdischer Trägerschaft, die ihnen ein Forum boten, ein eigenes schulpädagogisches Profil zu entwickeln, dieses öffentlich zu präsentieren und sich an den gelehrten Diskursen ihrer Zeit zu beteiligen. So wird u.a. mit Methoden der Professions- und Netzwerkforschung die sozial- und bildungsgeschichtliche Entwicklung des höheren jüdischen Schulwesens in transnationaler wie auch in diachroner Perspektive über einen relativ langen und geschlossenen Zeitraum sichtbar und diskutierbar gemacht.

Leitung: Prof. Dr. Michael Wermke, Dr. Viktoria GräbeExterner Link

  • Publikationen, Tagungen und Stipendien

    Publikationen

    • Viktoria Gräbe/ Michael Wermke: The Circulation of Academic Knowledge in the Medium of School Programmes, in: Routledge Handbook of Academic Knowledge Circulation., in: Wiebke Keim, Leandro Rodriguez Medina, Rigas Arvanitis et al. (eds.), London 2023, p. 235-250. https://doi.org/10.4324/9781003290650Externer Link
    • Viktoria Gräbe/ Michael Wermke: Die ministeriellen Inspektionen in den Schulprogrammen höherer jüdischer Schulen im 19. Jahrhundert - das Beispiel Frankfurt am Main, in: Tomás Kasper, Martin Holý, Marcelo Caruso, Markéta Pánková (eds.), From School Inspectors to School Inspection. Supervision in Europe from Middle Ages to Modern Times, Bad Heilbrunn 2022, S. 153-172.
    • Viktoria Luise Gräbe/ Michael Wermke: Periodika höherer Schulen im 19. Jahrhundert: Schulprogramme als Spiegel jüdisch-bürgerlicher Repräsentation? in: Susanne Marten-Finnis, Michael Nagel (eds.): The Historical German-Jewish Press: Platform, Mouthpiece, Sources Die historische deutsch-jüdische Presse: Forum, Sprachrohr, Quellenfundus Bremen 2022, S. 173-194.
    • Viktoria Gräbe: Rezension zu: Ächtler, Norman (Hrsg.): Schulprogramme Höherer Lehranstalten. Interdisziplinäre Perspektiven auf eine wiederentdeckte bildungs- und kulturwissenschaftliche Quellengattung. Hannover 2021. ISBN 978-3-86525-820-5. In: H-Soz-Kult, 14.06.2021.
    • Michael Wermke: Die Schulprogrammschriften höherer jüdischer Schulen in Frankfurt am Main im 19. und frühen 20. Jahrhundert - Erste Vermessungen in einem unbekannten Forschungsgebiet, in: Norman Ächtler (Hrsg.): Schulprogramme Höherer Lehranstalten, Hannover 2021, S. 355-384.
    • Viktoria Gräbe/ Michael Wermke: Soziale Herkunft und Berufswahl: Jüdische Religionslehrer an preußischen höheren Schulen im langen 19. Jahrhundert am Beispiel Frankfurt am Main, in: PaRDeS: Journal of the Association for Jewish Studies in Germany 26 (2020) Jewish Families and Kinship in the Early Modern and Modern Eras, p. 107-121 (peer reviewd). Link zum BeitragExterner Link

    Tagungen

    • "Von der Einladungsschrift zum Schulprogramm als Instrument der Bildungsberichterstattung im langen 19. Jahrhundert"; 4./5.4.2024, Akademie der Wissenschaften in Mainz, Veranstalter der Tagung „Rechnen, Zeichnen, Reden. Zur Geschichte der Datenverarbeitung im langen 19. Jahrhundert": Dr. Volker Köhler, TU Darmstadt. Weitere Informationen unter: https://www.geschichte.tu-darmstadt.de/aktuelles_ifg/news_uebersicht_ifg_details_109504.de.jspExterner Link
    • "Vom Erkunden zur Erkenntnis? Ansätze und Perspektiven digitaler Sammlungsvisualisierungen" 10.11.2023, Gotha; Veranstalter: Forschungsbibliothek Gotha (FBG)Einen Tagungsrückblick finden Sie hierExterner Link
    • „Ambivalente Beziehungen. Historische Narrative und Bilder vom Judentum, Christentum und Islam in Bildungsmedien“, 28.02.-1.03.2023, Frankfurt am Main; Veranstalter: Arbeitskreis für historische Religionspädagogik. Weitere Informationen finden Sie hierExterner Link.
    • Haskala in Breslau - Joel Bri’l Löwes Schulschriften im Kontext (1791–1801), 15.-17. März 2021, Freie Universität Berlin
      Veranstalterinnen: Uta Lohmann und Kathrin Wittler
      Vortrag: Joel Löwes Schulschriften. Eine Einordnung in die Praxis der Schulprogrammschrift-Schreibung um 1800 (Viktoria Gräbe)
      Das Programm finden Sie hierpdf, 189 kb.
    • From School Inspectors to School Inspection. Supervision of Schools in Europe from the Middle Ages to Modern Times, 9.-10. September 2020, Prag;
      Veranstalter: Institute of History of the Czech Academy of Sciences;
      Vortrag: Annual reports of secondary schools in the 19th century - an example of school inspection without consequences?
    • Zwischen Tradition und Wandel. Pädagogische und religionspädagogische Initiativen im 'langen 19. Jahrhundert' 2.-3. April 2020, Münster; Veranstalter: Arbeitskreis für historische Religionspädagogik, Vortrag: Zwischen Formatierung und Akkulturation. 
      Jahresberichte höherer jüdischer Schulen im ‚langen‘ 19. Jahrhundert. Zum Tagungsprogrammpdf, 292 kb.
      Die Tagung wird aufgrund der Corona-Pandemie verschoben.
    • Warum Netzwerkforschung?, 2.-4. März 2020, Darmstadt,
      Veranstalter: Deutsche Gesellschaft für Netzwerkforschung. AK Organisatorische Netzwerkforschung;
      Vortrag: Institutionen jüdischer höherer Bildung im langen 19. Jahrhundert – Rekrutierung, Austausch, Binnendifferenzierung.

    • "The Historical German Jewish Press as Interface.pdf, 469 kb Platform, Mouthpiece, and Sources of Ongoing Research Programme", 24.-27.November 2019, Uni Bremen
      Vortrag: "Periodika höherer Schulen im 19. Jahrhundert: Schulprogramme als Medium jüdisch-bürgerlicher Repräsentation"

    • "Berichte(n) - Prozesse, Narrative und Funktionen einer administrativen Kleinform"Externer Link, 12. April 2019, HU Berlin
      Workshop: "Die Jahresberichte höherer jüdischer Schulen im ‚langen‘ 19. Jahrhundert — normierte Form der Wissenszirkulation oder Sonderfall der Berichterstattung im jüdischen Emanzipationsprozess?"

    Stipendien

    • Sommer 2020, Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel: "Die Schulprogrammsammlung der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel - ein unterschätzter Bestand zur Rekonstruktion der Vernetzung höherer jüdischer Schulen im ‚langen‘ 19. Jahrhundert"   
    • 1.09.-30.11.2019, Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung Berlin: "Schulprogrammschriften höherer jüdischer Schulen zwischen Selbstinszenierung und ‚bürokratischer Reform von oben‘. Eine Rekonstruktion an Archivalien der Staatlichen Auskunftstelle für Schulwesen"

Abgeschlossene Projekte der Arbeitsstelle

  • Digitalisierung kirchlicher und schulischer Zeitschriften

    Digitalisierung kirchlicher und schulischer Zeitschriften

    Seit 2009 werden im Digitalisierungsprojekt »Kirchliches und schulisches Zeitschriftenwesen« praktisch-theologische und religionspädagogische Zeitschriften, kirchenamtliche Verordnungsblätter, die Kirchenzeitung »Glaube und Heimat«, zahlreiche Gemeindeblätter sowie die Synodenberichte der Thüringer evangelischen Kirche digitalisiert und bereitgestellt.

    Das Projekt wird vom FZRB in Kooperation mit der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena durchgeführt.

    Bislang konnten über 50 Periodika mit insgesamt ca. 100.000 Druckseiten als Digitalisate auf Homepage der Arbeitsstelle zur Verfügung gestellt werden.

    Diese Periodika geben einen intensiven Einblick in die institutionen- und professionsgeschichtliche Entwicklung des Pfarrer- und Lehrerberufs im regionalen Kontext Thüringens sowie der Thüringer Landeskirchen und bieten darüber hinaus eine breite Basis für die Erforschung der Thüringer Kirchen- und Bildungsgeschichte.

    Webseite des DigitalisierungsprojektesExterner Link

    Die Arbeitsstelle in der Fachliteratur

    In einem kürzlich veröffentlichten Fachartikel von Prof. Dr. Bernd Schröder, zum Thema Religionspädagogik und Digitalität, findet die Arbeit des kirchlichen und schulischen Zeitschriftenwesen Erwähnung. Prof. Schröder hebt in diesem Zusammenhang das Potential digitaler Zugriffsmöglichkeiten für die Vernetzung professioneller Theoretiker*innen und der Generierung von Theorien hervor. Die Digitalisierung von Zeitschriften erleichtert den Quellenzugang für Forschende und Interessierte.

    Zum FachartikelExterner Link

    Förderung zur OCR-Volltexterkennung 

    Durch eine Förderung der Thüringer Staatskanzlei können die Digitalisate der Zeitschrift „Glaube und Heimat“ aus den Jahren 1924 -1941 mit einer artikelgenauen Strukturierung und einer OCR-Volltexterkennung ausgestattet werden. Die Zeitung stellt sowohl für die Thüringer Kirchengeschichte als auch für die Profangeschichte Thüringens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine herausragende Quelle dar. Die OCR-Erkennung ermöglicht erstmals die maschinengestützte systematische Auswertung der Kirchenzeitung (u.a. Suchmöglichkeit, artikelgenaue Strukturübersicht). Damit steht die Zeitschrift wissenschaftlichen Forschungsvorhaben, regionalgeschichtlichen Untersuchungen aber auch heimatdichterisch Interessierten in einer barrierefreien und dauerhaft nutzbaren Form online zur Verfügung.

    Wir danken der Thüringer Staatskanzlei für die Förderung des Projekts. 

    Ein Blick zurück anlässlich des 10-jährigen Bestehens - Über die Entstehung des Digitalisierungsprojektes

    1 Am Anfang stand ein Buch

    Am Anfang stand ein Buch über den Jenaer Religionslehrer und später bekannten Religionspädagogen Gerhard Bohne. Bohne war auf Seiten des Christlichen Elternbundes Akteur in dem während der Zeit der Weimarer Republik intensiv geführten Schulkampfs um die Zukunft des konfessionellen Volksschulwesens und später ein namhafter Vertreter des kerygmatischen Religionspädagogik. Bohne führte uns zu den Altenburgern Gemeindeblättern, in denen er regelmäßig die schulpolitischen Ereignisse in Thüringen kommentierte und für die Beibehaltung des konfessionell gebundenen Schulwesens warb. Wir waren sehr beeindruckt von dieser seriellen Quelle der Gemeindeblätter, weil sie uns einen Einblick in die damaligen Debatten eröffneten, die uns andere Quellen wie Synodenberichte oder gar Monografien nicht bieten konnten.

    Und Bohne führte uns zu Wilhelm Rein, dem weltberühmten Jenaer Erziehungswissenschaftler, bei dem Bohne promovierte, und zu dessen schulpädagogischen Schriften in der Mann‘schen Reihe.

    Die Schriften fanden wir im Magazin der ThULB und kopierten sie eifrig – das Wort scannen gab es in unserem Wortschatz wohl noch nicht. Hierbei entstanden lesbare pdf-Dateien, die wir mittels der Suchfunktion auswerten konnten. Die Idee, diese Kopien auf die Homepage zu stellen und damit auch anderen bildungshistorisch Interessierten zur Verfügung zu stellen, lag auf der Hand.

    2 Die Zusammenarbeit mit der ThULB

    Begleitet wurde diese Idee durch einen großen Zeitungsartkel in der TA mit dem Tenor, dass sich junge Theologen auf dem Weg machten, gefährdete Schriften der ThULB vor der Selbstauflösung zu retten. Kein Wunder, dass sich die Leitung der ThULB auf den Plan gerufen sah und bei uns anrief. In der Tat musste der Artikel auf Irritation auf Seiten der Bibliothek, die nun gerade die Bewahrung und Aufbereitung historischen Schriftguts auf ihren Fahnen zu stehen hatte, führen. Aber die Bibliothek äußerte sich sehr einladend und somit kamen wir mit Michael Lörzer und seinem Team – insb. mit Herrn Hillesheim – in ein sehr produktives Gespräch. Vereinbart wurde, nicht nur die Schriften Reins und das Altenburger Gemeindeblatt zu digitalisieren, sondern sukkzessive die in der ThULB lagernden Gemeindeblätter sowie die Synodenberichte der Thüringer Landeskirche zu digitalisieren.

    Seitdem schicken wir seit 10 Jahren junge, hungrige Theologiestudierende in die ThULB, die für das Einscannen der Schriften zuständig sind. Und wir sind der ThULB sehr dankbar für den Löwenanteil an der Arbeit, die vor allem in der Bearbeitung der Digitalisate, der Texterschließung und dem technischen Support besteht.

    3 Kooperation mit dem Landeskirchlichen Archiv in Eisenach

    In einem nächsten Schritt stellten wir die Kontakte zum Landeskirchlichen Archiv in Eisenach her. Viele Pappschachteln mit Gemeindeblättern sind seitdem zwischen Eisenach und Jena hin- und zurückgependelt, um die Vollständigkeit der digitalisierten Schriften zu sichern. Um überhaupt die Menge der Schriften beherrschbar zu machen, haben wir beschlossen, zunächst die Gemeindeblätter der Thüringischen Residenzstätte einzustellen. Dieser Arbeitsschritt ist zwischenzeitlich ebenso abgeschlossen wie die Digitalisierung der Synodenberichte.

    4 Projektleitung unter Gregor Reimann

    Zwischenzeitlich hatte Gregor Reimann die Projektorganisation übernommen. Und unter seiner ruhigen Leitung wuchs das Projekt. Die AS am ZRB wurde eingerichtet und es entstand mit der ThULB die Idee, eine eigene Homepage für unser Digi-Projekt zu entwerfen. Auch hier sind wir der ThuLB dankbar für die Förderung und massive Unterstützung des Vorhabens.

    5 Weiterförderung des Projekts

    Und schließlich beschlossen wir im letzten Jahr bei der Staatskanzlei eine finanzielle Förderung eines Teilprojektes, nämlich die Digitalisierung der 1924 gegründeten Kirchenzeitschrift Heimat und Glaube zu beantragen.

    Dieser Antrag war mit Erfolg gesegnet, so dass ich Ihnen heute mitteilen kann, dass unser Kooperationsprojekt mit der ThULB nicht nur seinen 10-Jährigen Geburtstag feiert, sondern dass das Projekt auch in der nächsten Zeit durch eine Finanzierung weitergehen wird.